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„Viele Kinder wollen ihrer Mama helfen“
Wie funktionieren Frauenhäuser und wie wird man aufgenommen? Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser im Interview.
Welche Frauen finden in Ihren Frauenhäusern Schutz?
Maria Rösslhumer: Das Angebot der Frauenhäuser richtet sich an Frauen, die von Gewalt in der Familie betroffen sind. Dabei geht es um körperliche Gewalt, aber auch um psychische und sexuelle Gewalt. Viele der Frauen werden vom Partner misshandelt, einige sogar vom Sohn oder Schwiegersohn. Zu uns können all diese Frauen kommen – egal wie alt sie sind und woher sie kommen.
Wenn ein Mädchen unter 18 von Gewalt in der Partnerschaft betroffen ist oder zum Beispiel zwangsverheiratet werden soll oder zwangsverheiratet wurde, findet auch sie Schutz im Frauenhaus. Allerdings entscheidet bei Minderjährigen das Jugendamt mit.
Wir haben in Österreich in insgesamt 30 Frauenhäusern Plätze für insgesamt 759 Frauen und ihre Kinder. Dass Frauen ihre Kinder mitbringen können, ist besonders wichtig. Frauenhäuser sind auch Kinderhäuser. Burschen dürfen in der Regel allerdings nur bis zum 14. Lebensjahr im Frauenhaus leben. Dann wird für sie nach Möglichkeit eine andere Unterbringung gesucht.
Manche Burschen, die Erfahrungen mit Gewalt machen mussten, zeigen in der Pubertät oftmals selber ein aggressives Auftreten. Es kommt daher immer wieder einmal vor, dass sie dann andere Bewohnerinnen im Frauenhaus bedrohen. Es gibt vereinzelt Frauenhäuser, in denen für Mütter und deren ältere Söhne eigene Bereiche geschaffen wurden, damit die Familie in dieser schwierigen Phase nicht auseinandergerissen wird.
In Kleinstädten ist es praktisch unmöglich, die Adressen der Frauenhäuser geheim zu halten. Deswegen sind bei den Frauenhäusern überall Sicherheitsvorkehrungen wie Videokameras und Sicherheitstüren angebracht. Männer, die ihren Frauen vor Frauenhäusern auflauern, gibt es, aber das Wichtigste ist es, Frauen und Kindern Sicherheit und Schutz zu gewährleisten. Es gibt auch Männer, die bei unserer Frauenhelpline anrufen und uns beschimpfen oder sich darüber beschweren, dass wir nur Frauen helfen würden. Diese Anrufer können wir auf Männerberatungsstellen verweisen, die es ja in ganz Österreich gibt.
Frauenhäuser betreuen die Frauen umfassend: psychosozial, medizinisch und juristisch. Sie helfen ihnen auch bei der Job- und Wohnungssuche, begleiten sie zu Gerichtsterminen oder zur Polizei, wenn das erforderlich ist. Manche Frauen machen während des Aufenthalts im Frauenhaus auch einen Kurs, um ihre Jobchancen zu verbessern. Unser Ziel ist es, die Frauen zu schützen und sie auf eine selbstständige Zukunft vorzubereiten.
Wie lange die Frauen bei uns bleiben, ist sehr unterschiedlich. Der Durchschnitt liegt bei drei Monaten, das Maximum bei einem Jahr. Wie lang jemand Hilfe braucht, hängt von den individuellen Lebensperspektiven ab. Frauen am Land oder auch Migrantinnen haben es da etwas schwerer, weil sie meist länger brauchen, um sich eine Existenz aufzubauen. Andere bleiben, etwas im Fall einer akut gefährlichen Situation zu Hause, nur ein oder zwei Tage im Frauenhaus.
Ja und nein. Gewalt kommt in allen Schichten vor, nur versuchen Frauen aus „guten Kreisen“ ihre Notlage aus nachvollziehbaren Gründen eher zu vertuschen als jene aus ärmeren Familien, weil sie oft keinen Ausweg sehen. Wenn eine Frau mit einem Kriminalpolizisten, einem Politiker oder mit einem Anwalt verheiratet ist, kann sie ihr Ansehen verlieren. Vor allem, wenn der Täter in der Öffentlichkeit steht, nehmen Frauen kaum Hilfe an, weil die Anonymität nicht gewährleistet ist. Ähnlich ist es am Land: In Dörfern weiß jeder über alles Bescheid.
Unserer Erfahrung nach nicht. Aber wenn, dann kommen sie oft schwerer aus ihren Beziehungen heraus. Es geht immer darum, welche Möglichkeiten Frauen haben, sich zu befreien. Frauenhäuser bieten muttersprachliche Beratung in den in Österreich häufigsten Sprachen wie Bosnisch, Serbisch, Kroatisch und Türkisch an. Für andere Sprachen werden Dolmetscherinnen beigezogen.
Eigentlich nicht, obwohl die Schwere der Verletzungen vereinzelt extremer wird; das geht bis hin zu Mordversuchen und Morden. Bei Jugendlichen häufen sich Formen von Cybermobbing und Cyberstalking. Das endet in den extremsten Fällen mit Suizid. Immer öfter rufen verzweifelte Eltern bei unserer Helpline an, die nicht wissen, wie sie ihren Kindern helfen sollen, die im Web gemobbt werden. Unsere Aufgabe ist es hier, zu beraten, denn vor dem Weg zur Polizei schrecken viele zurück.
Das Internet ist ein gutes Medium, um Wissen zu verbreiten und anonym Infos einzuholen. Wir haben auch einen Helpchat, wo zwei Beraterinnen Frauen informieren und beraten.
Es rufen immer wieder Jugendliche an, die ihrer Mama helfen wollen. Wir ermutigen sie, sich beim Jugendamt zu melden und ihre Mutter davon zu überzeugen, selbst bei der Frauenhelpline anzurufen. Dasselbe gilt für Frauen, die eine Freundin haben, die vom Freund oder von einem Familienmitglied geschlagen oder misshandelt wird. Wichtig ist es, den Anrufern das Gefühl der Ohnmacht zu nehmen.
Das Grundübel ist, dass viele nicht gelernt haben, wie Konflikte richtig gelöst werden. Sie lernen es weder daheim noch in der Schule. Buben spielen oft lieber den knallharten Helden, als Gefühle zu zeigen. Das endet im Erwachsenenalter dann oft in Gewalthandlungen. Dem versuchen wir mit Präventionsworkshops in Schulen entgegenzuwirken. Männlichkeit heißt, Gefühle zeigen zu können. Das müssen viele erst lernen.