Wer ist ein Mann ...
... wenn nicht er? Die ersten Zivildiener.
Es gab eine Zeit, da musste jeder junge Mann mit österreichischer Staatsbürgerschaft zum Dienst an der Waffe antreten. Ohne Ausnahme. Auch später konnte man der Pflicht zum Wehrdienst schwer entgehen, es mussten schon Gründe wie Drogenabhängigkeit oder schwere Krankheiten diagnostiziert werden, damit man als untauglich galt.
In diesen Zeiten galt es als männlich, in klirrender Kälte zu salutieren, 50 Kilo schwere Rucksäcke durch den Wald zu schleppen und Waffen zu putzen.
Erst 1975 kam in Österreich mit dem sogenannten Wehr- oder Ersatzdienst eine Alternative hinzu. Doch die Hürde, um als Zivildiener angenommen zu werden, war hoch. Ein Hearing vor einer Kommission war notwendig, bei dem man vortragen musste, warum man nicht zum Wehrdienst wollte oder konnte. Die Kommission hatte dann das letzte Wort, die Entscheidung war oft nicht nachvollziehbar.
Sozial sein ist unmännlich?
Zivildiener wurden von Anfang an dazu eingesetzt, im sozialen Umfeld, zum Beispiel in Altenheimen, im Rettungsdienst oder in der Behindertenbetreuung, zu arbeiten. So war es auch bei Franz Neuhauser aus Steyr. Nach seiner Tischlerlehre verweigerte er zwei Jahre lang den Wehrdienst, bis 1975 der Zivildienst als Wehrersatzdienst eingeführt wurde. „Wäre der Zivildienst nicht gekommen, wäre ich wie andere auch im Gefängnis gelandet“, erzählt er. Der Wehrdienst war für den Pazifisten und Kriegsgegner einfach nicht der richtige Weg: „Wir haben mit unserer Haltung auch gegen den Vietnamkrieg von 1946 bis 1975 protestiert“, so Neuhauser. Ein politischer Grund, wie er bei heutigen Zivildienern eher in den Hintergrund gerückt ist.
Vaterlandsverräter!
Neuhauser wollte unbedingt in die Behindertenarbeit, absolvierte die Fachschule für Sozialarbeit vom Diakoniewerk und arbeitete in diesem Bereich. Dass er als gestandener junger Mann lieber mit behinderten Menschen arbeitete, als Waffenübungen zu machen, kam in der damaligen Gesellschaft nicht gut an. „Wir galten als nicht männlich, wurden als schwul oder als Vaterlandsverräter beschimpft“, erinnert er sich. 1975, als er im ersten Kurs für Zivildiener dabei war, gab es noch Menschen, die vom Nationalsozialismus geprägt waren. Auch durch sie waren die Pioniere unter den Zivildienern mit Ausgrenzung und Abschätzung konfrontiert.
Karriere in Sozialarbeit
Trotz aller Widerstände hielt Neuhauser durch. Direkt nach dem Zivildienst heuerte er beim Roten Kreuz an (zuerst als Freiwilliger, später als Hauptberuflicher), absolvierte unzählige Ausbildungen – Strahlenschutz, Notfallsanitäter –, kurz gesagt: Er blieb dem Dienst im Sinne der Menschlichkeit treu. „Heute sind viele meiner Kollegen im Notarztdienst ehemalige Zivildiener“, weiß Neuhofer. Ein letztes Resümee? Neuhauser: „Der Zivildienst war eine super Zeit und der Grundstein für mein Berufsleben.“
Vor allem aber haben Pioniere wie Neuhofer den Weg für all die weiteren Zivildiener geebnet, die seit 1975 ihren Zivildienst leisten. Sie müssen sich nicht mehr rechtfertigen, warum sie nicht den Wehrdienst gewählt haben, und auch ihre Männlichkeit wird nicht mehr infrage gestellt. Denn wer ist schon ein Mann, wenn nicht einer, der seine Stärke für andere einsetzt? Eben.